In der Ruhe liegt die Kraft des perfekt platzierten Pfeils

Ruhe ist wichtig. Innere Ruhe. Aber auch im Arm, in der Hand, den Fingern, im Auge. Das einzig Schnelle beim Bogenschießen sind die Pfeile.

Und so kennt auch Reinhard Kisselbach keine unnötige Eile, als er durch sein Geschäft führt. Moderne Sportbogen und klassische aus Holz hängen dort. In der Ecke heult ein Kunststoffwolf stumm vor sich hin, stark mitgenommen von den zahllosen Pfeilen, die schon auf ihn abgefeuert worden sind.

Aber eigentlich schießt man im "Sherwood" an der Sternstraße in Unser Fritz nicht auf (künstliche) Tiere. Das Jagdziel ist rund, bunt, mit Zahlen versehen und hängt 18 Meter entfernt an der Wand. Die Schießbahn im ersten Stock fungiert als Trainingsanlage für einen der erfolgreichsten deutschen Bogensport-Vereine, den Sherwood BSC Herne.

Die Durchschlagskraft eines einfachen Pfeils demonstriert Ladeninhaber Kisselbach routiniert. Mit Ruhe, natürlich, lässt er das spitze Geschoss durch den Raum sausen. Je nach Bogen (Aluminium, Magnesium oder Holz) und Zuggewicht der Sehne fliegen sie um die 300 Kilometer in der Stunde, landen aber meist wieder nach 250 Metern. Die normale Turnierdistanz liegt bei 70 Metern.

Der groß gewachsene Mann mit den wachen Augen schießt seit 30 Jahren. Seit 1990 verkauft er in Wanne-Eickel Bogensport-Bedarf, zog mit dem Geschäft mehrfach um, bis er und seine mittlerweile sieben Mitarbeiter im roten Backsteingebäude einer ehemaligen Großbäckerei ihr Domizil fanden. Heute ist "Sherwood" im Hinterhof des Wohngebiets einer der wenigen Fachhändler in Deutschland. Die Bogen-Szene ist überschaubar, gut 30 000 Sportler sind hierzulande in Vereinen organisiert. Den "typischen" Schützen gibt es nicht, wie Kisselbach betont: "Alle Altersklassen sind vertreten." Und mit dem Klischee, das Ganze sei ein äußerst elitärer Sport, für Anwälte, Ärzte und deren Kinder, räumt der 49-Jährige vehement auf. "Eine Einsteiger-Ausrüstung ist schließlich für 150 Euro zu haben."

In der Werkstatt herrscht geordnetes Chaos. Neben Bogen liegen Schraubenzieher, Zangen, eine Brötchentüte. Im Hintergrund dudelt ein Radio. Pfeile füllen ein ganzes Regal, die Pfeilspitzen (kein Verkauf an Jugendliche!) ein weiteres. Es wird besonnen gespannt, gedreht, geschraubt. "Es kann Jahre dauern, bis man die optimalen Einstellungen für sein Sportgerät gefunden hat", sagt Kisselbach, der den Eindruck vermittelt, er selbst könne besagtem Wolf blind ein Haar aus dem künstlichen Schwanz schießen.

Robin Hood, der berühmte Rächer der Enterbten und passionierter Waldbewohner sowie Bogenschütze, würde sich im Wanne-Eickeler "Sherwood" sicher wohlfühlen. Womöglich wäre es dem Helden aber ein wenig zu ruhig.

© WAZ, 21.01.2005